Der Ursprung des Lokals war eine im Jahr 1972 erbaute Strandbude, auf Spanisch „Balneario“ genannt, auf Deutsch „Strandbad“. Insgesamt gab es zu Beginn zehn dieser Balnearios an der Playa de Palma. Die Strandbude Nummer 6, ein weiß und orange gefliester Flachbau, war bei Deutschen besonders beliebt, weil sie in der Nähe der von ihnen frequentierten Hotels lag.[1] Im Laufe der 1970er-Jahre siedelten sich weitere Kneipen für deutsches Publikum in der Nähe an, so etwa die „König Pilsener Stube“, später folgten „Bierkönig“, „Almrausch“ und „Megapark“. Von Anfang an mischten bei der entstehenden Gastronomie auch spanische Unternehmer mit.[2] Der entstehende „Ballermann“ war nicht allein ein deutsches Phänomen.
1993 wurden die Strandbudenlokale abgerissen.[3] Fans hatten zuvor 10.000 Unterschriften gegen den geplanten Abriss gesammelt. Die alte Bude wich einem von 15 fast baugleichen Strandlokalen aus Edelstahl mit einem weit ausgreifenden Gitterdach als Schattenspender. Mit dem Neubau wurde eine neue Zählung eingeführt: Bis 1993 hatte es zehn Balnearios gegeben, von „0“ in Can Pastilla bis „9“ in Arenal. Mit der Neugestaltung wurde die Zahl der Lokale auf 15 erhöht. Die Reihenfolge der Zählung wurde dabei umgekehrt. Nun startet die Reihe mit „15“ in Can Pastilla und endet bei „1“ in Arenal. So gelang es, die neue „6“ wieder am alten Standort zu belassen, allerdings mit 18 Meter Abweichung. Heute befindet sich das Lokal vor dem Hotel Playa Golf.[4]
Das Strandlokal besteht aus einem Stahlhäuschen von circa
10 m × 3 m Grundfläche und ist ausgestattet mit Theke, Zapfanlagen, Toiletten und Vorratsraum. Davor befindet sich eine abgegrenzte Terrasse mit Bestuhlung und Sonnenschirmen. Das Ganze wird von einer halb lichtdurchlässigen Stahlkonstruktion zwischen zwei Lichtmasten überspannt, die tagsüber Schatten und nachts Licht spendet. Im Februar 2017 wurde der Name des Balneario Nº 6 in Beach Club Six geändert.[5]
Name und Wortmarke
Der Name „Ballermann“ ist eine Verballhornung des Wortes „Balneario“ (Spanisch für „Heilbad“). Das Wort „Ballermann“ ist ein umgangssprachlicher Ausdruck für eine Schusswaffe, und „ballern“ kann sowohl das Schießen mit einer Waffe bedeuten als auch Rauschtrinken.[6]
Zum Ursprung der Bezeichnung „Ballermann“ gibt es unterschiedliche Angaben. Das erste Imbisslokal in Deutschland mit dem Namen „Ballermann“ bestand in Karlsruhe zwischen 1969 und 2016. Ob es einen Zusammenhang mit dem Namen „Ballermann 6“ gibt, ist unklar.[7]
1994 hat sich ein Ehepaar aus Niedersachsen die Wortmarke „Ballermann“ schützen lassen; das Lizenzrecht besteht bis 2027.[8] Das Ehepaar geht mit Abmahnungen gegen deren unlizenzierte Verwendung vor. So wurde Lorenz Büffel im März 2021 eine Abmahnung angedroht, weil er das Wort als Hashtag verwendete.[9] Seit 2006 wird mit der Wortmarke „Ballermann“ der Ballermann-Award verliehen. Eine Diskothek in Mülheim an der Ruhr verwendet ebenfalls den Namen Ballermann 6.
Ballermann-Kultur
Seit den späten 1990er Jahren sind Ballermann 6 und die Bezeichnungen „Ballermann“ und „Malle“ (aus Mallorca gebildetes Kurzwort) zu Symbolen für eine bestimmte Form von Alkohol- und Partytourismus geworden. Deutsche und europäische Boulevardmedien berichteten seit den 1990er Jahren oft über die Szene am Ballermann 6. Zur Bekanntheit trug insbesondere die von Bernd Eichinger produzierte Filmkomödie Ballermann 6 (1997) bei, in der das sogenannte „Eimersaufen“ eine zentrale Rolle spielt, also das Trinken von Sangría aus Eimern mit extra langen Trinkhalmen. Der Spruch „Malle ist nur einmal im Jahr“ wurde zum geflügelten Wort.[10][11]
Die Bezeichnungen Ballermann-Musik, Ballermann-Partys und Ballermann-Künstler stehen nicht mehr ausschließlich für einen Mallorca-Bezug, sondern auch für ein Genre von Musik und Veranstaltungen („Ballermann-Kultur“).[12] Der Begriff „Ballermann“ wird auch international für Partytourismus (englischalcotourism) verwendet, etwa für den bulgarischen Goldstrand.[13][14] Dort gibt es Lokale mit abgewandelten Bezeichnungen, etwa Bierkönig Bulgaria, Dolphin Mega-Park und Ballerman 6 Beach Bar[15] sowie das analog zu „Malle“ gebildete Kurzwort „Bulle“.[16] Der Musiker Ikke Hüftgold ließ sich den Namen „Bulle Alarm“ als Marke schützen.[17]
Seit den 2010er Jahren geht die mallorquinische Regierung mit Regelungen gegen exzessiven Alkoholtourismus vor (siehe Overtourism).[18]
Zum typischen Ambiente der Ballermann-Kultur gehört die Beschallung mit sogenannter „Ballermann-Musik“.[19] Seit 1995 werden Stücke des Genres auf der Kompilations-Reihe Ballermann-Hits veröffentlicht.[20] Seit 2006 wird für die Stilrichtung der Ballermann-Award verliehen. Darüber hinaus gibt es mit dem Ballermann Radio einen offiziellen Internetradio-Sender, der seit 2008 sendet.[21]
Anke Dornbach (Hrsg.): Ballermann: die Ausstellung. Richter, 2006, ISBN 978-3-937572-54-3
Anne-Katrin Becker / Margarete Meggle-Freund (Hrsg.): Viva Espana!: von der Alhambra bis zum Ballermann. Deutsche Reisen nach Spanien [Ausstellung des Badischen Landesmuseums im Museum beim Markt vom 26. Mai bis zum 28. Oktober 2007]. Lindemanns Bibliothek, 2007, ISBN 978-3-88190-477-3
Literatur
Jörg Mehrwald: Keiner verlässt die Theke. Roman einer unglaublichen Dienstreise nach El Arenal. Frankfurt: Eichborn 1997.
als Audio: Keiner verlässt die Theke. Roman einer unglaublichen Dienstreise nach El Arenal. Sprecher Knut Müller. Radioropa TechniSat, 2007, ISBN 978-3-86667-963-4 (280 Min.)
Frank Rumpf: Mallorca. Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten. Klartext Verlag, Essen 2022, ISBN 978-3-8375-2505-2.
Sacha Szabo: Ballermann. Das Buch. Phänomen und Marke. Eine wissenschaftliche Analyse eines außeralltäglichen Erlebnisses. Tectum, Marburg 2011, ISBN 978-3-8288-2791-2
Gloria Isabel Bosch: Rutas de cine, el turismo cinematográfico en Mallorca: el caso alemán. In: PASOS Revista de Turismo y Patrimonio Cultural. Band 16, Nr. 3, 26. Juli 2018, ISSN1695-7121, S. 843–854, PDF
Anne Storch, Nico Nassenstein: Balamane: Variations on a Noisy Ground. In: Kontradiktorische Diskurse und Macht im Widerspruch. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-658-30345-7, S. 23–51.
Anne Storch: Die Prekarität der Anderen. Sonderdruck aus: Wiener Linguistische Gazette. 85 (2020), S. 183–203; Themenheft Prekaritätserfahrungen: Soziolinguistische Perspektiven. Hg. v. Mi-Cha Flubacher, Jonas Hassemer, Christian Bendl, Jürgen Spitzmüller, PDF
Marina Schwarz: „Schon wieder besoffen“ – Kleinbiotop Mallorca und der Wunsch nach Exzess. In: dies. (Hrsg.): Das verdächtig Populäre in der Musik: Warum wir mögen, wofür wir uns schämen. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2021, ISBN 978-3-658-32690-6, S. 175–190.
↑Karlheinz Wöhler: Touristifizierung von Räumen: Kulturwissenschaftliche und soziologische Studien zur Konstruktion von Räumen. Springer-Verlag, 2011, ISBN 978-3-531-92761-9, S.115 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Carla Bethmann: “Clean, Friendly, Profitable”?: Tourism and the Tourism Industry in Varna, Bulgaria. LIT Verlag Münster, 2013, S. 256.
↑Magdalena Banaszkiewicz: Anthropology of Tourism in Central and Eastern Europe: Bridging Worlds. Lexington Books, 2018, ISBN 978-1-4985-4382-8, S.170ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Urlaub mit den Deutschen. In: jungle.world. 16. August 2018 (jungle.world [abgerufen am 24. August 2018]).
↑Julio Mendívil: Ein musikalisches Stück Heimat: Ethnologische Beobachtungen zum deutschen Schlager. transcript Verlag, 2015, ISBN 978-3-8394-0864-3, S.227 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Hauptseite. In: ballermann-radio.de. André Engelhardt, 25. September 2008, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 26. September 2008; abgerufen am 11. Juli 2023.
↑Christian Buß: (S+) »Last Exit Schinkenstraße«: Ballermann-Serie von Heinz Strunk bei Amazon Prime. In: Der Spiegel. 6. Oktober 2023, ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 9. Oktober 2023]).