Seit dem 1. April 2006 hatte er die Professur für Neuere deutsche Literatur: Literatur- und Kulturwissenschaft/Medien an der Humboldt-Universität Berlin inne. 2005/2006 war er Visiting Professor an der Princeton University, 2007 Visiting Professor an der University of California, Berkeley, und seit 2007 ist er Permanent Visiting Professor am Department of German der Princeton University. Am 18. Juli 2023 hielt Joseph Vogl im Hörsaal 1.101 des Universitätsgebäudes am Hegelplatz (Dorotheenstr. 24) seine Abschiedsvorlesung an der Humboldt-Universität mit dem Titel „Meteor – Versuch über das Schwebende“.[2]
Ein zentraler Forschungsschwerpunkt von Joseph Vogl liegt auf den „Poetologien des Wissens“ – der Verschränkung von Wissen und Literatur. Weitere Schwerpunkte sind die Geschichte und Theorie des Wissens, die Geschichte von Gefahr und Gefährlichkeit in der Neuzeit sowie der Diskurs- und Medientheorie und die Literaturgeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts.[4]
Beim Diaphanes-Verlag Zürich/Berlin gibt er gemeinsam mit Claus Pias die medienwissenschaftliche und wissenschaftshistorische Buchreihe »sequenzia« heraus.
In seinem 2010, kurz nach der globalen Krise des Finanzmarktkapitalismus von 2008 erschienenen Werk Das Gespenst des Kapitals, welches starke Resonanz fand und in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde, prägte Vogl den Begriff der Oikodizee: Er fordert eine Entzauberung des aus der Warenwirtschaft tradierten ökonomistischen Credos (Oikodizee) der Finanzmärkte. Die liberal-ökonomischen Theorien und ihr wirkmächtiger Glauben an die unsichtbare Hand des Marktes in der Tradition von Adam Smith verkennen als säkularisierteTheodizee die irrationale, diabolische Dynamik entfesselter Geldwirtschaft.[6]
In seinem Buch Der Souveränitätseffekt (2015) zeichnet Vogl die Genealogie der kapitalistischen Moderne mitsamt ihren Akteuren und Institutionen nach: private Financiers, Zentralbanken, Staatsgründungen. Er entlarvt damit – ähnlich wie Karl Marx – den liberalen Mythos einer Trennung von Politik und Ökonomie. Politische Entscheidungsmacht und modernes Finanzwesen gingen somit Hand in Hand. Gegenwartsdiagnostisch bestimmt Vogl einen spezifischen entdemokratisierenden Machttypus, den er in Anlehnung an Deleuze und Foucault als seigniorale Macht bezeichnet und der das internationale Governance-Regime des Finanzmarktkapitalismus strukturiert. „Die Figuren seignioraler Macht […] sind vielmehr informell, diffus, instabil und nicht in eine konzise Systemgestalt übersetzbar. Man könnte hier von einer offenen und konstellativen Verdichtung, Fusion und Interaktion von Kräften unterschiedlicher Herkunft sprechen, deren Wirksamkeit gerade in der Schwäche institutioneller oder systemischer Prägung besteht.“[7]
Vogls Buch zeigt die Entwicklung der kapitalistischen Finanzökonomie auf und offenbart deutlich, dass wir nicht in Demokratien leben, sondern in oligarchischen Systemen globalkapitalistischer Profitmaximierung, die von politischen und ökonomischen Eliten regiert werden. Mit diesem Werk gelangte Vogl auf die Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse 2015 in der Kategorie Sachbuch/Essayistik.[8]
Seit Mitte der 1990er Jahre trat Vogl als Gesprächspartner des Intellektuellen, Filmemachers und Schriftstellers Alexander Kluge in den dctp-Kulturmagazinen auf. Die Dialoge sind 2009 auch in Buchform erschienen (Soll und Haben. Fernsehgespräche). Daneben ist Vogl mit seinen Begriffs-, Phänomen- und Gesellschaftsanalysen in zahlreichen Interviews innerhalb deutschsprachiger Medien, Magazine und Feuilletons öffentlich bekannt, wie z. B. in den Kulturfernsehmagazinen ttt und Kulturzeit, in Die Zeit, taz oder FAZ als auch in Hohe Luft und Philosophie Magazin.
mit Thomas Anz (Hrsg.): Die Dichter und der Krieg. Deutsche Lyrik 1914–1918. Hanser, München 1982, ISBN 3-446-13470-0.
Orte der Gewalt. Kafkas literarische Ethik. (=Diss. München, 1990) Fink, München 1990, ISBN 3-7705-2653-8. Wiederveröffentlicht: diaphanes, Zürich / Berlin 2010, ISBN 978-3-03734-100-1.
(Hrsg.): Gemeinschaften. Positionen zu einer Philosophie des Politischen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-518-11881-1.
mit Friedrich Balke und Benno Wagner (Hrsg.): Für alle und keinen. Lektüre, Schrift und Leben bei Nietzsche und Kafka. diaphanes, Zürich / Berlin 2008, ISBN 978-3-03734-039-4.
mit Sabine Schimma (Hrsg.): Versuchsanordnungen 1800. diaphanes, Zürich / Berlin 2008, ISBN 978-3-03734-028-8.
Thomas Ehrmann, Aloys Prinz: Das Geschäftsmodell der Firma Vogl, Baecker & Cie. Immer mehr Kulturwissenschaftler schreiben flott über den Kapitalismus und die Finanzmärkte. In: FAZ, 16. Mai 2012, S. N3.
↑Joseph Vogl. Website des Instituts für deutsche Literatur
↑Differenz und Wiederholung. 1992, 1997, 2007 (3. Auflage); als Taschenbuch mit 408 Seiten; ein von Joseph Vogl aus dem Französischen übersetztes Werk; veröffentlicht am 1. Dezember 2007; ISBN 3-7705-2730-5; ursprüngliche Bezeichnung war (1968) Différance et répétition, von Gilles Deleuze