Die Philologie ist die zusammenfassende Bezeichnung für die Sprach- und Literaturwissenschaft einer Sprache oder eines Sprachzweiges und entstand im 16. Jahrhundert aus griechischφιλολογίαphilología, lateinischphilologia, zu φίλοςphílos und λόγοςlógos, wörtlich „Liebe zur Sprache“.[1]Philologie bedeutete ursprünglich das Streben nach historisch ausgerichteter gelehrter Bildung überhaupt. In der Folge verstand man darunter den Inbegriff der Studien, die sich mit dem griechischen und römischen Altertum befassen.
Ein Wissenschaftler, der sich mit Philologie beschäftigt, wird als Philologe bezeichnet. In der DDR gab es den Studienabschluss Diplom-Philologe. In der Bundesrepublik heißen alle Gymnasiallehrer auch Philologen, daher Deutscher Philologenverband.
Heute wird als „Philologie“ die Wissenschaft verstanden, „die sich mit Texten historischen, literarischen oder kulturgeschichtlichen Inhalts in einer bestimmten Sprache beschäftigt und sie sprachlich, historisch, kulturgeschichtlich und gesellschaftlich interpretiert“.[2] Man unterscheidet die Altphilologie (Klassische Philologie), die sich mit Altgriechisch und Latein befasst (daneben die altorientalische Philologie, anfangs vor allem für Althebräisch), und die Neuphilologie, die Beschäftigung mit den modernen Sprachen. In vielen Sprachen befasst sich deren Philologie mit der älteren und der modernen Sprache, so die Germanistik, Romanistik, Slawistik, Anglistik, Skandinavistik, Sinologie, Japanologie, Iranistik. Gelegentlich wird der Begriff im Sinn von ‚Forschung‘ für die gelehrte Beschäftigung mit einem einzelnen Autor und dessen literarischem Werk („Goethe-Philologie“) gebraucht.
Das Wort wurde in der Neuzeit erstmals 1575 benutzt in Johann Fischarts Übersetzung des Romans Gargantua von Rabelais, der die Französische Klassik einleitete. In der Antike hieß der Philologe noch γραμματικόςgrammatikós oder κριτικόςkritikós. Es gibt aber altgriechischφιλολογόςphilologos und davon lateinischphilologus im Sinne eines Literaturliebhabers oder eines vielfältig interessierten Lesers. Die typischen philologischen Tätigkeiten (Sammeln, Kommentieren, Edieren) gab es durchaus: Als Höhepunkt antiker Philologie gilt der Dichter und Bibliothekar von AlexandriaKallimachos im 3. Jahrhundert v. Chr. Bei den Römern hat Varro bereits Regeln zur Verbesserung (Emendation) von Abschreibfehlern aufgestellt.
Ursprüngliche Aufgabe der Philologie war neben dem Sammeln die Textkritik, also die Herstellung eines möglichst authentischen Textes, der aus verschiedenen voneinander abweichenden Handschriften erschlossen wurde. Diese Editionsphilologie ist heute noch ein Teilbereich der Philologie. Dazu kam der Kommentar durch Randbemerkungen oder eigenständige Schriften, aus der die Zusammenhänge erläuternde Literaturgeschichte im weiteren Sinne entstanden ist.
Als älteste Philologie gilt die Klassische Philologie, die sich mit dem als klassisch verstandenen griechischen und römischen Altertum befasst. Aus ihr entstanden die meisten anderen Philologien. Die sogenannten Neuphilologien, zu denen die Anglistik, die Germanistik, die Slawistik und die Romanistik gehören, entwickelten sich vor allem während der Aufklärung und der Romantik und bildeten die Grundlage zur Herausbildung weiterer Ableger, zum Beispiel Lusitanistik und Rumänistik.
Die Tendenz der Aufspaltung einer größeren Philologie in viele Teilphilologien bezeichnet man auch als Orchideisierung. Im Rahmen der Orientalistik beispielsweise entstanden zahlreiche kleine Philologien, die an größeren Hochschulstandorten als Orchideenfächer fortexistieren. Für die Theologie aber ist Hebraistik ein notwendiges Fach der Bibelwissenschaft.
Friedrich Schlegel: Zur Philologie. I und II. In: Kritische Friedrich Schlegel-Ausgabe. Hrsg. von Ernst Behler. 2. Abteilung. Bd. 16: Fragmente zur Poesie und Literatur. 1. Teil. Schöningh, Paderborn/München/Wien 1981, S. 33–81.
August Boeckh: Encyklopädie und Methodologie der philologischen Wissenschaften. Hrsg. von Ernst Bratuschek. B.G. Teubner, Leipzig 1877 (Digitalisat auf Open Library).
Peter Szondi: Über philologische Erkenntnis. In: Peter Szondi: Hölderlin-Studien. Mit einem Traktat über philologische Erkenntnis. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1967, ISBN 3-518-10379-2, S. 9–34.
Heinz Schlaffer: Poesie und Wissen. Die Entstehung des ästhetischen Bewußtseins und der philologischen Erkenntnis. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-518-58023-X.
Jan Ziolkowski: „What is Philology?“ Introduction. In: Comparative Literature Studies. Band 27, Nr. 1: Special-focus issue „What is Philology?“ 1990, S. 1–12.
Nikolaus Wegmann: Was heißt einen ‚klassischen Text‘ lesen? Philologische Selbstreflexion zwischen Wissenschaft und Bildung. In: Jürgen Fohrmann, Wilhelm Voßkamp (Hrsg.): Wissenschaftsgeschichte der Germanistik im 19. Jahrhundert. Metzler, Stuttgart/Weimar 1994, ISBN 3-476-00990-4, S. 334–450.
Thomas Schestag: Philologie, Erkenntnis. In: Neue Rundschau. Band 119, Nr. 3, 2008, S. 128–143.
Jürgen Paul Schwindt (Hrsg.): Was ist eine philologische Frage? Beiträge zur Erkundung einer theoretischen Einstellung. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-518-29543-4.
Jerome McGann: Philology in a New Key. In: Critical Inquiry. Band 39, Nr. 2, Winter 2013, S. 327–346.
Sheldon Pollock: Kritische Philologie. Essays zu Literatur, Sprache und Macht in Indien und Europa. Hrsg. von Christoph König. Aus dem Englischen übersetzt von Brigitte Schöning. Wallstein, Göttingen 2015, ISBN 978-3-8353-1662-1.
Vincenz Pieper: Philologische Erkenntnis. Eine Untersuchung zu den begrifflichen Grundlagen der Literaturforschung. De Gruyter, Berlin 2019, ISBN 978-3-11-062528-8.