Stephen Kuffler wurde 1913 im ungarischen Táp geboren und absolvierte ab 1932 an der Universität Wien ein Studium der Medizin, das er im Dezember 1937 mit der Promotion abschloss. Danach arbeitete er zunächst kurze Zeit an der zweiten Medizinischen Klinik und in der Abteilung für Pathologie der Universität, bevor er für einige Monate nach England und im Sommer 1938 nach Australien an das Sydney Hospital ging, wo er am Kanematsu Memorial Institute of Pathology sowie im Labor des späteren Nobelpreisträgers John Carew Eccles forschte. Dort lernte er auch den Neurobiologen Bernard Katz kennen, der seine wissenschaftlichen Interessen wesentlich beeinflusste. Nach seiner Emigration nahm er 1938 den Vornamen Stephen an.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war er ab Herbst 1945 zunächst an der University of Chicago tätig, bevor er 1946 eine Professur für Sehphysiologie und Biophysik am Institut für Ophthalmologie der medizinischen Fakultät der Johns Hopkins University erhielt. Im Jahr 1959 wechselte er auf Einladung von Otto Krayer mit seiner Arbeitsgruppe an die Abteilung für Pharmakologie der Harvard University, an der er sieben Jahre später die weltweit erste eigenständige Abteilung für Neurobiologie gründete und bis zu seinem Tod als Professor für Neurophysiologie und Neuropharmakologie beziehungsweise ab 1966 für Neurobiologie wirkte. Neben seiner Tätigkeit in Harvard verbrachte er mit seiner Arbeitsgruppe im Sommer regelmäßig Forschungsaufenthalte am Marine Biological Laboratory in Woods Hole, Massachusetts beziehungsweise in den Jahren von 1967 bis 1971 am Salk Institute for Biological Studies.
Stephen Kuffler war ab 1943 verheiratet und Vater von vier Kindern. Seine Tochter Eugénie Kuffler ist eine bekannte Komponistin, Flötistin und Tänzerin. Im Jahr 1954 wurde er amerikanischer Staatsbürger. Er starb 1980 in Woods Hole infolge eines Herzinfarkts, den er nach einem längeren Schwimmen in der Buzzards Bay erlitten hatte. Zu seinen akademischen Schülern zählten unter anderem David H. Hubel und Torsten N. Wiesel, die ein Jahr nach seinem Tod den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhielten.
Nach Stephen Kuffler benannt sind unter anderem die Stephen W. Kuffler Lecture in Neurobiology, eine an der Harvard University stattfindende Ehrenvorlesung, sowie der Stephen W. Kuffler Chair in Biology, ein Lehrstuhl an der University of California, San Diego, und der Stephen W. Kuffler Fellowship Fund am Marine Biological Laboratory.
From Neuron to Brain: A Cellular Approach to the Function of the Nervous System. Sunderland 1976, 1984; weitere Auflagen unter dem Titel From Neuron to Brain: A Cellular and Molecular Approach to the Function of the Nervous System. Sunderland 1992, 2000, 2012; spanische Ausgabe, Barcelona 1982 (als Mitautor)
Neurotransmission, Neurotransmitters, and Neuromodulators. Cambridge und New York 1980 (als Mitherausgeber)
Literatur
John G. Nicholls: Stephen W. Kuffler. 1913–1980. In: Biographical Memoirs. Band 74. National Academy of Sciences, Washington D.C. 1998, ISBN 0-309-08281-1, S. 193–208
Bernard Katz: Stephen William Kuffler. 24 August 1913 – 11 October 1980.Biographical Memoirs of Fellows of the Royal Society. 28/1982. The Royal Society, S. 224–259, ISSN0080-4606
Weiterführende Veröffentlichungen
U. J. McMahan: Steve: Remembrances of Stephen W. Kuffler. Sinauer Associates, Sunderland 1990, ISBN 0-87893-516-9
In Appreciation of Stephen W. Kuffler. In: Journal of Neuroscience. 1(1)/1981. Society for Neuroscience, S. 1/2, ISSN0270-6474
Timothy S. Harrison: Five Scientists at Johns Hopkins in the Modern Evolution of Neuroscience. In: Journal of the History of the Neurosciences. 9(2)/2000. Psychology Press/ Taylor & Francis, S. 165–179, ISSN0964-704X (insbesondere Abschnitt „Neurobiology: Stephen William Kuffler at Johns Hopkins, 1946–1958“, S. 172–176)
W. Maxwell Cowan, Donald H. Harter, Eric R. Kandel: The Emergence of Modern Neuroscience: Some Implications for Neurology and Psychiatry. In: Annual Review of Neuroscience. 23/2000. Annual Reviews, S. 343–391, ISSN0147-006X (insbesondere Abschnitt „Stephen Kuffler and the Formation, At Harvard, of the First Neurobiology Department in the United States“, S. 346/347)