Am 17. Februar 2012 war der zehnte Bundespräsident Christian Wulff von seinem Amt zurückgetreten. Er war damit nach seinem direkten Vorgänger Horst Köhler der zweite Bundespräsident, der seine Amtszeit mit sofortiger Wirkung beendete. Zu den Gründen, die Wulff dazu veranlassten, siehe Wulff-Affäre. Die Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten führte nach dem Rücktritt Wulffs vorübergehend der Präsident des deutschen Bundesrates, Horst Seehofer (CSU).
Nach Art. 54 Abs. 4 Grundgesetz (GG) hatte die Bundesversammlung zur Neuwahl des Bundespräsidenten spätestens 30 Tage nach dem Rücktritt zusammenzutreten.
Die vom saarländischen Landtag zu wählenden Mitglieder der 15. Bundesversammlung wurden durch den bereits aufgelösten Landtag bestimmt, dessen Wahlperiode gemäß Art. 67 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Saarlandes jedoch erst mit dem Zusammentritt des Landtages endet, der am 25. März 2012 neu gewählt wurde. Der nordrhein-westfälische Landtag war seit dem 14. März aufgelöst, dort endete die Wahlperiode auch zu diesem Zeitpunkt, jedoch wurden die Delegierten bereits am 28. Februar bestimmt.
Der 17. Deutsche Bundestag war der erste Bundestag, der an zwei Bundesversammlungen mitwirkte. Die Landtage Bayerns, Hessens und Niedersachsens hatten innerhalb von nur einer Wahlperiode Delegierte für drei Bundesversammlungen zu wählen.
Als Leiter der Bundesversammlung (§ 8 BPräsWahlG) erinnerte der Präsident des Bundestages, Norbert Lammert (CDU), in seiner Eröffnungsansprache an den 18. März als einen Tag, der „wie nur wenige andere in einer bemerkenswerten Traditionslinie der deutschen Geschichte“ stehe: Proklamation der Mainzer Republik 1793, Beginn des Barrikadenkampfes während der Märzrevolution 1848 in Berlin und Volkskammerwahl 1990.[1] Lammerts Freude über die „glückliche Fügung“ einer Bundespräsidentenwahl an einem 18. März, nach der „– den in der Verfassung vorgesehenen Normalfall vorausgesetzt, dass wir wieder in den üblichen Fünfjahresrhythmus zurückkehren – […] künftig jeder Bundespräsident an einem 18. März gewählt oder vereidigt werden könnte“,[2] war allerdings von vornherein utopisch. Es war abzusehen, dass die Amtszeit des am 18. März 2012 gewählten Bundespräsidenten am selben Tag beginnen[3] und fünf Jahre später mit dem 18. März 2017 enden werde. Die Bundesversammlung hat jedoch spätestens dreißig Tage vor Ablauf der Amtszeit des Bundespräsidenten zusammenzutreten, Art. 54 Abs. 4 GG. Die nächste fand daher am 12. Februar 2017 statt und die Vereidigung des neuen Präsidenten Frank-Walter Steinmeier nicht am letzten Tag der Amtszeit seines Vorgängers, sondern am 22. März 2017.[4]
Kandidaten
Joachim Gauck (2011)
Beate Klarsfeld (2012)
Olaf Rose (2011)
Zum Bundespräsidenten wählbar ist nach Art. 54 Abs. 1 GG, wer als deutscher Staatsangehöriger das Wahlrecht zum Bundestag besitzt und das 40. Lebensjahr vollendet hat. Wahlvorschläge kann jedes Mitglied der Bundesversammlung einreichen; die schriftliche Zustimmungserklärung des Vorgeschlagenen ist beizufügen (§ 9 Abs. 1 BPräsWahlG).
Gauck war bereits Kandidat bei der Wahl des deutschen Bundespräsidenten 2010. Dort wurde er von der SPD und den Grünen aufgestellt und erhielt darüber hinaus von den Freien Wählern und dem SSW Zustimmung, unterlag jedoch im dritten Wahlgang Christian Wulff, der von den beiden Unionsparteien und der FDP unterstützt wurde.
Die hinter Gauck stehenden Parteien stellten in der Bundesversammlung 1111 von insgesamt 1240 Wahlfrauen und -männern. Joachim Gauck wurde schließlich mit 991 von 1228 gültigen Stimmen gewählt.
Beate Klarsfeld
Die parteilose Journalistin und Aktivistin für Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit Beate Klarsfeld wurde am 27. Februar 2012 vom Vorstand der Partei Die Linke, die mit 124 Wahlleuten in der Bundesversammlung vertreten war, einstimmig als Kandidatin nominiert.[8]
Am 5. März wählte der Sächsische Landtag auf Vorschlag der Linksfraktion Klarsfeld zu einem Mitglied der Bundesversammlung.[9]
Nach Art. 54 Abs. 5 GG ist im ersten oder zweiten Wahlgang gewählt, wer „die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung erhält“. Dies entspricht mindestens 621 Stimmen. Im dritten Wahlgang ist der Kandidat mit den meisten Stimmen gewählt. Damit hätten
die in den ersten beiden Wahlgängen nötige absolute Mehrheit. Im dritten Wahlgang ist der Kandidat mit den meisten Stimmen gewählt.
Wahlergebnis
Joachim Gauck wurde im ersten Wahlgang mit 991 Stimmen gewählt (die ihn unterstützenden Parteien verfügten zusammen über 1111 Mitglieder in der Bundesversammlung). Auf Beate Klarsfeld entfielen 126 Stimmen und auf Olaf Rose 3 Stimmen. Gauck erklärte nach der Verkündung des Wahlergebnisses vor dem Plenum der Bundesversammlung die Annahme der Wahl. Die Vereidigung fand am 23. März 2012 in einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat statt. Da das Amt des Bundespräsidenten vakant war, begann Gaucks Amtszeit als Bundespräsident mit der Annahme der Wahl.[3]
↑Der Anteil bezieht sich auf die Gesamtanzahl der Mitglieder der Bundesversammlung (1240), da im erfolgten ersten Wahlgang eine Mehrheit der Gesamtzahl der Mitglieder erforderlich war (621 oder mehr). Unerheblich war dabei die Abwesenheit von acht Mitgliedern der Bundesversammlung. Die nicht abgegebenen Stimmen gelten weder als ungültig noch als Enthaltung.
Trivia
Der Abgeordnete Udo Pastörs (NPD) des Landtags Mecklenburg-Vorpommern, dem dieser bereits zum Zwecke der Strafverfolgung die Immunität entzogen hatte, machte geltend, ihn schütze dennoch die parlamentarische Immunität vor Strafverfolgung, solange er sich nämlich noch als Mitglied der 15. Bundesversammlung beim Bundesverfassungsgericht gegen deren Verlauf und Ergebnisse wende. Dem folgte das Oberlandesgericht Rostock nicht.[12]
↑ ab„Das Amt des Bundespräsidenten beginnt mit dem Ablauf der Amtszeit seines Vorgängers, jedoch nicht vor Eingang der Annahmeerklärung beim Präsidenten des Bundestages.“ (§ 10 BPräsWahlG). Da die Amtszeit des Vorgängers bereits mit seinem sofortigen Rücktritt beendet war, beginnt die Amtszeit des Gewählten sofort mit Annahme der Wahl (Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages: Aktueller Begriff. Die 14. Bundesversammlung am 30. Juni 2010 (Memento vom 19. September 2011 im Internet Archive) (PDF; 62 kB); Zitat: „Die Amtszeit des neuen Staatsoberhaupts beginnt mit dem Eingang der Annahmeerklärung beim Präsidenten des Bundestages und dauert fünf Jahre.“). Die nach Art. 56 GG geforderte Eidesleistung markiert nicht den Zeitpunkt des Amtsantrittes. Dazu auch Maunz/Dürig, Grundgesetz, 56. Ergänzungslieferung 2009, Rn 2 zu Art. 56 GG: „Eidesleistung und Amtsantritt stehen nach Art. 56 Satz 1 zwar in einem nahen zeitlichen Zusammenhang, bedingen einander aber nicht. Von Verfassungs wegen ist sowohl der Fall denkbar, dass der neugewählte Bundespräsident noch vor seiner Vereidigung amtlich tätig wird (weil seine Amtszeit bereits begonnen hat), als auch der Fall, dass die Leistung des Eides noch vor dem Beginn der Amtszeit erfolgt (also noch während der Amtszeit des Vorgängers). Doch stehen dem zuletzt genannten Ablauf der Ereignisse zumindest Gesichtspunkte des politischen Taktes gegenüber dem Vorgänger im Wege. […] In keinem Falle aber trifft Art. 56 selbst irgendeine Bestimmung über den Beginn der Amtszeit des Bundespräsidenten.“