Willem Mengelbergs Eltern Friedrich Wilhelm Mengelberg und Helena Schrattenholz waren Deutsche. Sie waren 1869 von Köln nach Utrecht gezogen, wo sie ein Atelier zur Herstellung von Kirchenmöbeln und Altargegenständen gründeten. Mengelberg war ihr viertes Kind und hatte 15 Geschwister.
Mengelberg war danach auch in den USA tätig, von 1921 bis 1930 als Musikdirektor der New Yorker Philharmoniker und damit als Rivale von Arturo Toscanini, der ab 1926 ebenfalls dieses Orchester dirigierte. Mengelberg gab die Stelle auf, nachdem sich aufgrund grundsätzlicher Differenzen mit Toscanini das Orchester in ein Toscanini- und ein Mengelberg-Lager zu spalten begann. Außerdem verlangte man von ihm häufigere Programmwechsel, wofür Mengelberg, der ausgiebig probte und während der Proben außerdem noch lange Ausführungen über den Komponisten machte, die Probenzeit nicht für ausreichend bemessen hielt.
Anfang Juli 1940 sank sein Stern in den Niederlanden, nachdem ein Interview mit dem Völkischen Beobachter im De Telegraaf nachgedruckt wurde, ebenso durch ein weiteres Interview im August 1940 mit dem Telegraaf, das als abfällig gegenüber dem niederländischen Musikleben gedeutet wurde, sowie durch eine Fotoserie, die ihn in Berlin, u. a. vor einem Konzertplakat mit den Berliner Philharmonikern zeigte. Mengelberg kooperierte während der Besatzungszeit 1940 bis 1945 mit den Deutschen und gab Konzerte für führende Nationalsozialisten wie Arthur Seyß-Inquart, was ihm internationale Kritik eintrug. Mengelberg rechtfertigte seine internationale Tätigkeit mit dem Vergleich, dass, so wie die Sonne für alle scheine, die Musik für alle Völker da sei. Noch im Herbst 1940 führte er die 1. Sinfonie von Gustav Mahler auf. Außerdem verhandelte er für Juden und niederländische Staatsbürger (Carl Flesch, den Flötisten Hubert Barwahser, Ernst Laqueur, die Pianistin Sara Bosmans-Benedicts und viele weitere) mit den deutschen Besatzungsbehörden. Aufgrund dessen erging zu Mengelbergs 70. Geburtstag 1941 eine Anweisung an die deutsche Presse, den Geburtstag mit einer gewissen Reserviertheit zu begehen, da Mengelberg sich „sein Leben lang für Gustav Mahler eingesetzt [hat], sich in München abfällig über Deutschland geäußert [hat] und heute noch (1941) 12 Juden in seinem Orchester beschäftigt“.[2]
Mengelberg erhielt 1945 im Rahmen der Entnazifizierung ein zunächst lebenslanges, nach der Berufungsverhandlung 1947 auf sechs Jahre reduziertes Auftrittsverbot in den Niederlanden. Sein Pass wurde eingezogen, und man erkannte ihm seine Ehrungen ab. Mengelberg begriff diese Maßnahmen nicht. Er berief sich darauf, dass seine gesamte Tätigkeit in 50 Berufsjahren nur dem Wohle der Niederlande, der Stadt Amsterdam und des Concertgebouw-Orchesters gedient habe und dass er fälschlicherweise geglaubt habe, dies sei in der Öffentlichkeit auch verstanden worden. 1946 schrieb er an Ellie Bysterus Heemskerk (eine Geigerin im Concertgebouw-Orchester): „Wenn ich etwas getan hätte, würde ich es verstehen, aber ich bin nie in etwas verstrickt gewesen.“ In seinem Exil in Zuort in der Schweiz erhielt er bis 1949 noch die Pension des Concertgebouw-Orchesters, bis der Rat der Stadt Amsterdam auch diese strich. Mengelberg starb zwei Monate vor dem Ende des verkürzten Auftrittsverbots.
Nach Mengelbergs Tod dirigierte Otto Klemperer für ihn ein Gedächtniskonzert. Klemperer bewunderte Mengelberg eher als einen musikalischen bzw. einen Orchestertrainer denn als einen Dirigenten. Ein Glückwunschtelegramm, das Mengelberg an Hitler gesandt haben soll, bezeichnete Klemperer als eine „Dummheit“.[3] Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Friedhof Friedental.
Werk und Stil
Mengelberg, der unter dem Einfluss seines Kompositions- und Dirigierlehrers Wüllner stand, war ein begeisterter Anhänger von Richard Strauss, dessen sinfonische Dichtung Ein Heldenleben ihm und dem Concertgebouw-Orchester gewidmet ist.[1] Er bevorzugte unter den Komponisten aber nicht nur Strauss sowie Beethoven. Auch dem Werk von Arnold Schönberg, Willem Pijper, Paul Hindemith, Max Reger und Alphons Diepenbrock verhalf er zu Anerkennung, zum Teil durch niederländische Erstaufführungen.
Er begründete 1899 jährliche Aufführungen von Bachs Matthäus-Passion am Palmsonntag und einen jährlichen Beethoven-Zyklus und widmete Künstlern wie Mahler und Strauss auch zahlreiche Musikfeste.
Mit Mahler, dessen Musik er 1903 kennengelernt hatte, war er befreundet. Er förderte ihn durch die Aufführung seiner Werke in den Niederlanden. Ein Höhepunkt war das Mahlerfest in Amsterdam zum 25-jährigen Dirigentenjubiläum Willem Mengelbergs im Jahr 1920.[1] Mengelberg hatte Mahlers Sinfonien mit dem Komponisten selbst studiert und die Partituren Takt für Takt mit Bemerkungen versehen. Mengelbergs Aufnahme von Mahlers 4. Sinfonie gilt daher als den Intentionen des Komponisten besonders nahestehend.
1960 erschien mit den Einspielungen Mengelbergs aus den Jahren 1939 bis 1940 die erste Gesamtausgabe von Beethovens Sinfonien. [4]
Insgesamt nahm Mengelberg für eine Reihe von Plattenfirmen etwa 90 Werke kommerziell auf, außerdem etwa 40 weitere für den niederländischen Rundfunk.
↑Peter Heyworth: Gespräche mit Klemperer. S. Fischer, Frankfurt am Main 1974, ISBN 3-10-033501-5.
↑Ludwig van Beethoven: Die neun Sinfonien. Dirigent Willem Mengelberg. 1960, nach Aufnahmen aus den Jahren 1939 und 1940.
Literatur
John L. Holmes: Conductors. A Record Collector's Guide. Gollancz, London 1988, ISBN 0-575-04088-2.
Jan Zimmermann: Die Kulturpreise der Stiftung F.V.S. 1935–1945. Darstellung und Dokumentation. Herausgegeben von der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. Christians, Hamburg 2000, ISBN 3-7672-1374-5.
Frits Zwart (Hrsg.): Willem Mengelberg. 1871–1951. Aus dem Leben und Werk eines gefeierten und umstrittenen Dirigenten und Komponisten (= Niederlande-Studien. Kleinere Schriften 8). Waxmann, Münster u. a. 2006, ISBN 3-8309-1181-5.
Michael Schmidt: Der Richtigspieler – Ein biografischer Roman über Willem Mengelberg. Weltbuch, Dresden 2017, ISBN 978-3-906212-27-2.