Das Kaffeehaus (Originaltitel: La bottega del caffè) ist eine Prosakomödie in drei Akten von Carlo Goldoni, die im April 1750 entstand und am 2. Mai 1750 in Mantua uraufgeführt wurde.[3]
Ort der Handlung ist ein kleiner Platz, eine Piazzetta in Venedig, an dem ein Spielcasino, eine Herberge und ein Kaffeehaus liegen, das von dem rechtschaffenen Ridolfo geleitet wird, einem ehemaligen Diener, der sich mit Hilfe seines alten Dienstherrn selbstständig gemacht hat.
Um ihn und seine Kunden dreht sich das Stück: um den jungen Kaufmann Eugenio, den Sohn von Ridolfos früherem Brotherren, der sein Vermögen verspielt und seine junge Frau Vittoria vernachlässigt. Daher ist er mit ihr zerstritten. Fortwährend wird er von Flaminio aus Turin, der als Graf Leandro auftritt und dem unerfahrenen Eugenio beim Spielen das Geld abnimmt, betrogen. Die Tänzerin Lisaura, der der falsche Graf Leandro die Ehe versprochen hat, obgleich er mit Placida verheiratet ist, stellt die nächste Handlungsfigur dar. Weitere Akteure sind der geldgierige Spielhöllenbesitzer Pandolfo und schließlich der aufdringliche, geschwätzige Don Marzio, ein neapolitanischerAdliger, der selbst vor Verleumdungen nicht zurückschreckt.
Nach einer beim Spiel durchzechten Nacht kommt Eugenio übelgelaunt ins Kaffeehaus. Er hat wieder einmal alles verloren, ja er muss sogar noch Spielschulden begleichen. In der Notlage springt der gute Kaffeehausbesitzer Ridolfo ein, macht Eugenio aber Vorhaltungen wegen seines liederlichen Lebenswandels. Da erscheint, als Pilgerin verkleidet, die unglückliche Placida, die ihren durchgebrannten Ehemann Flaminio in Venedig vermutet.
Eugenio bietet ihr seine Hilfe an und bringt sie in der Herberge unter. Inzwischen hat sich auch Vittoria im Schutz eines Maskenkostüms auf die Suche nach ihrem Eugenio gemacht. Mit Schrecken sieht sie, dass dieser ihre Ohrringe an Don Marzio verpfändet hat, der sie nun überall herumzeigt. Der hinzukommende Eugenio erkennt seine maskierte Frau nicht und will sie einladen, worauf sie sich zu erkennen gibt und droht, ihn zu verlassen und ihre Mitgift zurückzufordern. Eugenio ist aber noch lange nicht von seinem Laster geheilt und bald wieder gezwungen, um Geld zu betteln.
Auch diesmal erweist sich der treue Ridolfo als Retter in der Not, obgleich dies nur bewirkt, dass der Unverbesserliche nochmals an den Spieltisch zurückkehrt. Als er nun eine kleine Summe gewinnt, lädt er alle Anwesenden großzügig zum Essen ein. Doch die allgemeine Freude in der Tafelrunde wird durch das Auftreten von Placida gestört, die von draußen die Stimme ihres treulosen Flaminio erkannt hat. Auch die verzweifelte Vittoria erscheint wieder auf der Bildfläche und bietet ihrem Mann mutig die Stirn, als er gegen sie handgreiflich werden will.
In der allgemeinen Verwirrung ist es wieder der gute Ridolfo, der Frieden stiftet und die zerstrittenen Paare aussöhnt. Inzwischen wird der Spielhöllenbesitzer Pandolfo betrügerischer Machenschaften verdächtigt und kann dank der Geschwätzigkeit des Don Marzio überführt werden. Pandolfo landet im Gefängnis; aber der allgemeine Unmut richtet sich nicht gegen ihn, sondern gegen den Denunzianten, der nun, als "Spion" angeprangert, die Stadt unter Schimpf und Schande verlassen
muss.
Bedeutung im Gesamtwerk Goldonis
Primär ging es Goldoni darum, das farbenfrohe und lebhafte Milieu einer in erster Linie bürgerlichen Gesellschaft vorzustellen. Sein nächstes Ziel war es nach dem mäßigen Erfolg des vorangegangenen Stückes (in der Übersetzung des 18. Jahrhunderts Die rachsüchtigen Weiber, gemeint ist aber wohl Damenklatsch, I pettegolezzi delle donne) die „Einheit des Ortes“ zu wahren, obwohl er weiterhin an seinem Erfolg zweifelte:
„Diesesmal werden die unerbittlichen Kunstrichter wohl mit mir zufrieden seyn müssen; aber werden sie es auch mit der Einheit der Handlungen seyn? Werden sie nicht finden, daß der Stoff des Stücks zusammengesetzt, und das Interesse getheilt ist?“[4] Er selbst sah sich als glücklich an, weil es ihm gelungen sei, mehrere Handlungen an einem Ort in eine wesentliche Verbindung zu setzen.
Johannes Hösle ordnete Carlo Goldoni in diesem Zusammenhang folgendermaßen ein: „Der Venezianer hat zwar nur selten wie die großen französischen Aufklärerpolemisch und engagiert zu den gesellschaftlichen Fragen und Konflikten seiner Zeit Stellung genommen, aber er hat sie wie nur wenige andere in Bühnenhandlung umgesetzt.“[5] Auch Hermann Wiegmann sah Goldoni mit dieser Komödie „als Theatermann durch und durch.“[6]
Somit ist Goldoni noch kein moderner Bühnendichter im eigentlichen Sinn, er setzt sich jedoch immer kritikbewusst mit dem noch eminent vom Adelsdünkel geprägten sozialen Klima seiner Geburtsstadt Venedig auseinander.
Goldoni selbst war von dem Erfolg seines Stücks angetan: „Dieses Lustspiel erhielt einen glänzenden Beyfall: die Vereinigung und der Contrast der Charaktere konnten ihre Wirkung nicht verfehlen. Der Charakter des Verläumders wurde auf mehrere bekannte Personen ausgedeutet.“[7] Eine dieser Personen hätte sich besonders ihm gegenüber entrüstet und ihm gar mit einem Duell gedroht. Da man allerdings eher neugierig auf die von Goldoni versprochenen 16 Stücke in einem Jahr war, schenkte der vermeintlich Beleidigte ihm „großmütig“ das Leben.
Hintergrund dieser Aussage Goldonis war seine „Tour de force“, als er in der Spielzeit 1750/51 seinem Impresario Medebach vertraglich die Inszenierung von 16 neuen Stücken am Teatro Sant’Angelo zusagte – darunter einige seiner besten Werke, neben dem besagten La bottega del caffè auch Il bugiardo (Der Lügner).[8][9]
Rezeption
Bereits Gotthold Ephraim Lessing empfand, dass Voltaire bei seinem Stück Das Kaffeehaus oder die Schottländerin deutliche Anleihen bei Goldoni gemacht habe, so sei Don Marzio das „Urbild des Frélon“. Wäre Marzio jedoch lediglich ein „bösartiger Kerl“, so sei Frélon „zugleich ein elender Skribent“, den Voltaire von einem ihm selbst verhassten Journalisten ähnlichen Namens abgeleitet habe.[10] In der modernen sozialen Analyse der Rolle des Don Marzio kann man jedoch auch folgern, dass dieser durch die „Enteignung der Sprache“ zum „primär zerstörerischen Motor der Handlung“ wird,[11] ohne den jedoch das Stück seine Auflösung nicht erfahren würde.
Dino Buzzati ließ in seinem Roman Un amore (1964) La bottega del cafe
eine bewusste Würdigung erfahren: Als Antonio Laide in ihrer Wohnung besuchen will, trifft er diese nicht an. Um sich die Zeit zu vertreiben, blättert er kurz in einem Topolino-Comic und schaut sich im Fernsehen das besagte Stück an.[12]
Antonella Wittschier sieht dann auch die Parallelen beider Werke. „Das Venedig des Settecento und die MetropoleMailand des Novecento liegen zudem auf einer (...) oberitalienischen Achse der Dominanz, der Progressivität und der Zukunft.“[13] Indem Buzzati für seinen Protagonisten Antonio Dorigo die Darstellungsform des populären Fernsehens wählt, setzt er gleichsam ein literarisches Signal für die Moderne.
Deutschsprachige Schauspieler, die mit den Rollen des Stückes besonderen Erfolg hatten, waren beispielsweise Hans Otto Mitte der 1920er Jahre als Eugenio bei den Kammerspielen in Hamburg,[14] der Charakterdarsteller Erich Fiedler als Graf Leandro während der 1930er Jahre im Ensemble der Komischen Oper in Berlin[15] oder Margit Carstensen 1969 in der Rolle der Vittoria.[16] Weitere Darsteller, die in ihrer Vita ausdrücklich auf ihre Rolle darin verweisen, sind Michael Dangl, Nicolaus-Johannes Heyse, Winfried Hübner und Uwe-Karsten Koch.
Neu inszeniert wurde Fassbinders Theateradaption im Vorfeld von Goldonis 300. Geburtstag 2006 im Rahmen der 38. Biennale di Teatro in Venedig im Teatro delle Tese Vergini durch Ferdinando Bruni und Elio de Capitani.[29]
Literatur
5 Stücke von Goldoni. Aus dem Italienischen übersetzt von H. C. Artmann. Mit einem Nachwort von Franz Schuh. Residenz Verlag, Salzburg 2001.[30]
Richard Bletschacher: Carlo Goldoni. Zur 300. Wiederkehr seines Geburtstages am 25. Februar 1707. In: Ders.: Ausflüge. Einundzwanzig Essays : Geschichte, Literatur und bildende Künste betreffend. Böhlau, Wien 2010, S. 174ff.
Elettra Ercolino: Carlo Goldoni, La bottega del caffè. Rizzoli 2003.
Rainer Werner Fassbinder: Antitheater: Fünf Stücke nach Stücken. (nach Goethe: Iphigenie auf Tauris; nach Sophokles: Ajax; nach Gay: Die Bettleroper; nach Goldoni: das Kaffeehaus; nach Lope de Vega: Das brennende Haus), Verlag der Autoren, Frankfurt am Main 1986.
Johannes Hösle: Carlo Goldoni. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit. Piper, München 1993.
Roberto Alonge: Goldoni. Dalla commedia dell'arte al dramma borghese. Garzanti, Mailand 2004.
Robert Fajen: Die Verwandlung der Stadt. Venedig und die Literatur im 18. Jahrhundert. Wilhelm Fink, Paderborn 2013.
↑Carlo Goldoni: Goldoni über sich selbst und die Geschichte seines Theaters, 2. Theil, aus dem Französischen übersetzt und mit einigen Anmerkungen versehen von Georg Schaz, Verlag der Dykischen Buchhandlung, Leipzig 1788, S. 64.
↑Johannes Hösle: Carlo Goldoni. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit. Piper, München 1993, S. 11.
↑Hermann Wiegmann: Abendländische Literaturgeschichte. Die Literatur in Westeuropa von der griechischen und römischen Dichtung der Antike bis zur modernen englischen, französischen, spanischen, italienischen und deutschen Literatur. Königshausen & Neumann, Würzburg 2003, S. 367.
↑Carlo Goldoni: Goldoni über sich selbst und die Geschichte seines Theaters. 2. Theil, aus dem Französischen übersetzt und mit einigen Anmerkungen versehen von Georg Schaz, Verlag der Dykischen Buchhandlung, Leipzig 1788, S. 66.
↑Johannes Hösle: Kleine Geschichte der italienischen Literatur. C. H. Beck, München 1995, S. 121.
↑Ekkehard Eickhoff: Venedig, spätes Feuerwerk: Glanz und Untergang der Republik, 1700-1797. Klett-Cotta, Stuttgart 2006, S. 165.
↑Lessings Werke. Herausgegeben von Georg Witkowski. Kritisch durchgesehene und erläuterte Ausgabe. 4. Band, = Laokon oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie. Hamburgische Dramaturgie, 1. Theil, Voß, Berlin, 1766; Bibliographisches Institut, Leipzig/Wien 1911, S. 391f.
↑Iris Hafner: Ästhetische und soziale Rolle. Studien zur Identitätsproblematik im Theater Carlo Goldonis. Königshausen & Neumann, Würzburg 1994, S. 140.
↑Antonella Wittschier: Neue Wege zu Dino Buzzati. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main u. a. 2010, S. 69.
↑Antonella Wittschier: Neue Wege zu Dino Buzzati. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main u. a. 2010, S. 70.
↑Ulrich Liebe: Verehrt, verfolgt, vergessen. Schauspieler als Naziopfer. Mit Audio-CD, Beltz, Weinheim 2005, S. 169.
↑Horst O. Hermanni: Von Dorothy Dandridge bis Willy Fritsch: Das Film ABC. Norderstedt 2009, S. 305.
↑Wallace Steadman Watson: Understanding Rainer Werner Fassbinder: film as private and public art. The University of South California Press, Columbia 1996, S. 55.
↑Brigitte Peucker: A Companion to Rainer Werner Fassbinder. Wiley-Blackwell, Oxford 2012, S. 521.
↑Jane Shattuc: Television, tabloids, and tears: Fassbinder and popular culture. University of Minnesota Press, Minneapolis 1994, S. 77.
↑Peter W. Jansen, Wolfram Schütte: Rainer Werner Fassbinder (Fischer Cinema; 11318). 5. Aufl. Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt/M. 1992.
↑Herbert Spaich: Rainer Werner Fassbinder. Leben und Werk. Beltz Verlag, Weinheim 1992